Restitution von NS-Raubgut: SLUB gibt ein Buch aus dem Eigentum von Růžena Rosalie Kürschnerova zurück

Die Mitarbeiter:innen des NS-Raubgut-Forschungsprojektes identifizierten ein Buch aus dem Eigentum von Růžena Rosalie Kürschnerova, die von den Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt und 1944 im KZ Auschwitz ermordet wurde. Die SLUB gab das Buch im Januar 2022 an die Erbengemeinschaft von Růžena Rosalie Kürschnerova zurück.

Fotografien von Růžena Rosalie Kürschnerova und ihrem Ehemann Oskar Kürschner, In: Seite zur Personenbeschreibung und Unterschriften aus dem Reisepass Oskar Kürschners, Holocaust-Gedenkdatenbank www.holocaust.czwww.holocaust.cz/databaze-dokumentu/dokument/375814-k-rschner-oskar-nezpracovano/

Růžena Rosalie Kürschnerova wurde am 31. August 1902 in Nové Město nad Metují in der damaligen Tschechoslovakei als Tochter von Heinrich (Jindrich) Bondy (1856–1922) und Pauline Bondy, geb. Schück (1861–1942), geboren. Sie hatte vier Geschwister: Georg Jiri (1885–1942), Hedwig (1886–1942), Friedrich (1889–1944) und Valerie (1890–1942). Mit ihrem Ehemann Oskar Kürschner (1891–1944) und der gemeinsamen Tochter Hana (1924–1944) lebte sie in Prag. Nach der Besetzung Böhmens und Mährens durch die Wehrmacht im März 1939 wurden die Mitglieder der Familie Kürschner als Juden verfolgt. Růžena Rosalie, Oskar und Hana Kürschner wurden am 8. Februar 1942 mit dem Transport W von Prag in das Konzentrationslager Theresienstadt und am 23. Oktober 1944 mit dem Transport Et nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Auch Růžena Kürschnerovas Mutter und ihre Geschwister wurden in nationalsozialistischen Konzentrationslagern ermordet. Nur drei der sechs Geschwister Oskar Kürschners überlebten den Holocaust.

Titelblatt mit durchgestrichenem Autogramm von Růžena Rosalie Kürschnerova, In: Asch, Sholem: Die Mutter : Roman. Zürich [u.a.]: Zsolnay, 1930. Dresden: SLUB 29.8.3008 (SLUB/Deutsche Fotothek, df_dat_0017681)

Auf dem Titelblatt des Romans „Die Mutter“ Sholem Asch findet sich folgender Eintrag: „R. Kürschner. 1931“. Anhand von Dokumenten wie dem abgebildeten Reisepass Oskar Kürschners, in dem sich auch Unterschriften von Růžena Rosalie Kürschnerova befinden, konnte ein Schriftvergleich vorgenommen werden. Dieser bestätigte, dass es sich bei der ursprünglichen Eigentümerin um Růžena Kürschnerova (1902–1944) handelt. Während der Recherchen traten verwandtschaftliche Beziehungen mit einem anderen NS-Raubgut-Fall der SLUB hervor: Otto Bondy, dessen Familie ebenfalls von den nationalsozialistischen Besatzern verfolgt wurde und von welchem ein Buch im SLUB-Bestand identifiziert und restituiert werden konnte, ist der Onkel Zweiten Grades von Růžena Rosalie.

Stempel des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes - Landesvorstand Sachsen (SLUB/Deutsche Fotothek, df_prov_0001486)

Wie in vier weiteren Recherche- und Restitutionsfällen – Ilse Weber, geb. HerlingerErnst KalmusOtto BondyGustav Langendorf – enthält das Buch einen Stempel des FDGB Landesvorstandes Sachsen. Obwohl das Zugangsbuch der Sächsischen Landesbibliothek (SLB) aus dem Jahr 1954 keine Angaben zu den Zugangsumständen macht, liegt die Vermutung nahe, dass es sich hier um den Lieferanten handelt. Im Jahr 1954 ging ein größeres Konvolut von Büchern, die alle den gleichen FDGB-Stempel enthalten, in den Bestand der SLB ein. Auf diese Exemplare verteilen sich ca. 80 Parallelprovenienzen, die z.T. nachweislich tschechischen oder österreichischen Holocaust-Opfern zuzuordnen sind. Auffällig ist bei den bisher verifizierten bzw. naheliegenden Bucheigentümer:innen, dass fast alle von ihnen in das Konzentrationslager (KZ) Theresienstadt deportiert sowie teilweise dort ermordet worden sind. Der bisherige Kenntnisstand führt zu der Vermutung, dass die Exemplare nach dem unrechtmäßigen Entzug durch die nationalsozialistischen Besatzer in einem Sammellager o.ä. in Prag zentralisiert und nach 1945 weiterverteilt wurden. Diese Häufigkeit von erwiesenen und vermuteten NS-Raubgutfällen bedeutet, dass der Zugang über den FDGB – Landesvorstand Sachsen im Jahr 1954 als Indikator für NS-Raubgut gewertet werden muss und daher bei allen Bänden mit dieser Provenienz von einem akuten Verdacht auf NS-Raubgut auszugehen ist.

Das Buch mit den Besitzspuren von Růžena Rosalie Kürschnerova wurde im Rahmen des vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekts „NS-Raubgut in der SLUB (Erwerbungen nach 1945)“ identifiziert.  Wir freuen uns über die erfolgte Rückgabe dieses Buches an ihre Erbengemeinschaft im Januar 2022.

 

Zum Weiterlesen:

Eintrag zu Růžena Rosalie Kürschnerova  in der Holocaust-Gedenkdatenbank www.holocaust.cz.

Gedenkblatt für Ruza Kuerschner (*1902) in der Pages of Testimony Names Memorial Collection bei Yad Vashem.

Eintrag zu Oskar Kürschner in der Holocaust-Gedenkdatenbank www.holocaust.cz.

Eintrag zu Hana Kürschnerova in der Holocaust-Gedenkdatenbank www.holocaust.cz.

Falldossier

 

Das restituierte Buch:

Sholem Asch: Die Mutter: Roman. Zürich [u.a.]: Zsolnay, 1930.