Restitution an die Erben von Hedwig Hesse

„Aus meiner Bücherei. Hedwig Hesse.“ Diese Worte auf einem Exlibris benennen Hedwig Hesse als Eigentümerin der Bücher mit eben jenem Provenienzmerkmal. Besonders markant an diesem Exlibris ist die auf einer Gabel und Messer thronende Eule, die mit diesen überdimensionalen Werkzeugen Bücher zu verspeisen versucht. Und das Exlibris ist sogar signiert: Der Produktgestalter und Grafiker Adolf Behrmann, der 1903 bis 1933 in der Eisenacher Straße in Berlin-Schöneberg zu Hause war, schuf dieses Blatt für Hedwig Hesse im Mai 1918. Das Exlibris existiert in einer kleineren und größeren Variante.

   

Das Exlibris von Hedwig Hesse, links in der kleineren Version im Einband des Buches in SLUB und rechts größer im Einband eines der restituierten Bände der Berliner Staatsbibliothek.

Bereits bestehende Rechercheergebnisse zum Fall Hedwig Hesse belegen, dass so gekennzeichneten Bücher nicht im Besitz Hedwig Hesses oder ihrer Familie verbleiben konnten, sondern im Zuge der Verfolgungs-, Enteignungs- und Verwertungspolitik der Nationalsozialisten über Zwischenstationen in die Hände von Antiquariaten, Bibliotheken o.ä. gelangten.

Hedwig Bachur kam am 08. Mai 1880 als Tochter von Siegfried Bachur und seiner Frau Fanny, geborene Levy, in Berlin zur Welt. Sie heiratete am 01. April 1905 Max Guido Hesse, Besitzer eines Verlages für Industriedruck in Berlin. Max Hesse wurde am 30. Juli 1880 in Leipzig geboren. Das Paar hatte drei Kinder: Peter, Susi und Walter. Die Familie lebte auf der Helmstedter Straße 5 in Berlin.

Peter Hesse mit seinen Eltern Hedwig und Max in Berlin, ca. 1930 (Quelle: Familienbesitz)

Die Hesses wurden in Deutschland als Juden verfolgt. Die Kinder Peter, Susi und Walter Hesse konnten rechtzeitig nach Südafrika bzw. in die USA emigrieren. Hedwig und Max Hesse wurden zusammen am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet.

Die SLUB hat das Buch mit dem Exlibris von Hedwig Hesse 1993 von der Stadtbibliothek Berlin (BStB) angekauft. Die Einschätzung auf NS-Raubgut bei diesem Exemplar ergibt sich aufgrund eines Ankaufs der BStB: 1943 kaufte die Stadtbibliothek Berlin ca. 40.000 Bücher deportierter Berliner Juden von der Pfandleihanstalt der Stadt Berlin an. Auch weitere Bücher mit Besitzmerkmalen Hedwig Hesses kamen über die BStB an andere Bibliotheken in Deutschland. Aufgrund dessen und der Verfolgungsgeschichte der Familie Hesse stellen die Bücher NS-Raubgut dar. Auch andere Bibliotheken wie die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die Universitätsbibliothek Rostock fanden in ihren Beständen Bücher aus dem Besitz Hedwig Hesses, die sie ab 2016 restituierten.

Mitte August konnte die SLUB in einer gemeinsamen Restitution mit der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz insgesamt drei Bücher, darunter Friedrich Freskas „Die Notwende“ aus dem Bestand der SLUB, an die Großenkelin Hedwig Hesses zurückgeben.