Restitution: SLUB übergibt drei Bücher aus dem Eigentum der Jüdischen Gemeinde Hamburg

Im Rahmen des derzeit an der SLUB durchgeführten Provenienzprojektes zur Überprüfung der nach 1945 erworbenen Bestände konnten im September 2018 drei Bücher identifiziert und restituiert werden, die aus der Bibliothek des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg stammen. Für die Werke endet damit eine Odyssee, die am 9./10. November 1938 mit ihrer Beschlagnahme durch die Nationalsozialisten begann, zunächst nach Berlin, später nach Weißig und Hermsdorf in Sachsen führte und nach dem Zweiten Weltkrieg in Dresden ihr vorläufiges Ende fand.

Titelblätter zweier an die Jüdische Gemeinde Hamburg restituierter Bücher mit sichtbaren bzw. überklebten Provenienzmerkmalen (Deutsche Fotothek Dresden, df_dat_0016268, df_dat_0016270)

Der Jüdische Religionsverband Hamburg wurde 1938 als Zusammenschluss der seit dem 17. Jahrhundert bestehenden Hamburger Einzelgemeinden gegründet. Auch die jüdischen Gemeinden Hamburgs und ihre Mitglieder waren ab 1933 nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt. Nach dem Novemberpogrom 1938 ließ das Reichssicherheitshauptamt die Bibliotheken jüdischer Kultusgemeinden im gesamten Deutschen Reich sicherstellen. Ziel war der Aufbau einer „Gegnerbibliothek“. Die Bibliothek des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg zählte zu den ersten, die beschlagnahmt wurden. 1943 wurden die Bücher des Religionsverbandes der Hamburger Staatsbibliothek zum Kauf angeboten. Kriegsbedingt gelangten sie aber nicht mehr dorthin, sondern wurden im Sommer 1943 in die Schlösser Weißig und Hermsdorf transportiert.

Schloss Weißig bei Bautzen, 1963 (Deutsche Fotothek Dresden, df_rp-pos_0000561)

Schloss Hermsdorf bei Dresden, 1949 (Deutsche Fotothek Dresden, df_hauptkatalog_0201088)

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Bücher mehrfach umgelagert, verblieben aber weiterhin auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone bzw. späteren DDR. Dank des unermüdlichen Einsatzes vieler Personen und Institutionen, insbesondere des Historikers Helmut Eschwege und der Jüdischen Gemeinde Dresden, gelang 1957 die Rückführung der Bibliothek nach Hamburg. Immerhin 70 Kisten wurden tatsächlich an die Hamburger Jüdische Gemeinde zurückgegeben. Aufgrund der vielen Umlagerungen und einiger Plünderungen tauchten aber in den Folgejahren immer wieder einzelne Bücher mit Provenienzmerkmalen aus Hamburg auf – so auch in den Beständen der SLUB.

Bei den nun identifizierten Werken handelt es sich um ein Buch über Max Liebermann (1927, 5.A.5968), ein Sachbuch über Palästina (1935, 33.8.2210) und ein anthropologisches Standardwerk (1903, 29.8.3590). Die Bücher tragen Provenienzmerkmale der Bibliothek des Jüdischen Religionsverbands Hamburg bzw. seiner Vorgängerin, der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, sowie der Zionistischen Ortsgruppe Hamburg-Altona. Zwei kaufte die Sächsische Landesbibliothek in den 1950er bzw. 1980er Jahren antiquarisch an, eins ging ihr als Geschenk im Jahr 1955 zu und stammt aus der Volksbücherei Hermsdorf.

Stempel des Jüdischen Religionsverbands Hamburg, 1938 (Deutsche Fotothek Dresden, df_prov_0004042)

Stempel der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, vor 1938 (Deutsche Fotothek Dresden, df_prov_0004735)

Stempel der Zionistischen Ortsgruppe Hamburg-Altona, um 1930 (Deutsche Fotothek Dresden, df_prov_0004730)

Seit 2012 wird die historische Bibliothek der Jüdischen Gemeinde Hamburg als Depositum in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky (SUB) auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages aufbewahrt. Dort werden die drei zurückgegebenen Werke den Bestand weiter vervollständigen.

Die historische Bibliothek der Jüdischen Gemeinde Hamburg in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 2017 (SUB)

Die nach Sachsen verbrachten Bücher des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg waren nicht die einzigen aus dem Besitz der Hamburger Staatsbibliothek, die dorthin kriegsbedingt ausgelagert worden waren. Die Hintergründe der Auslagerung, vor allem aber das Schicksal der Hamburger Bestände in der sowjetischen Besatzungszone nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden schon 1997 das erste Mal beschrieben. Dazu und als detaillierte Beschreibung zum Raub und zur Restitution der jüdischen Gemeindebibliothek seien die folgenden Aufsätze empfohlen: