Restitution von NS-Raubgut: SLUB gibt Bücher aus dem Eigentum Heinrich Klangs an Erb:innen zurück

Im Rahmen unseres NS-Raubgut-Projektes konnten wir Bücher aus dem Eigentum des Juristen Heinrich Klang ermitteln. Heinrich Klang wurde nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 als Jude verfolgt und in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Er überlebte den Holocaust. Nun konnten wir zwölf Bände an seine Erb:innen restituieren.

Blick in das Magazin der ehem. Zweigbibliothek Rechtswissenschaft am damaligen Standort Bergstraße (SLUB Dresden)

In der rechtswissenschaftlichen 12-bändigen Lexikonreihe von Carl von Rotteck und Karl Theodor Welcker befindet sich in jedem Band der Stempelaufdruck „Doris J. Klang“. In den Wiener Adressbüchern findet sich nur eine Person, deren Name sich plausibel auf das Exlibris beziehen lässt: Dr. James Klang.

Stempel von James Klang (SLUB Dresden / Deutsche Fotothek, df_prov_0017430)

Der Jurist und Versicherungsfachmann Dr. James Klang (1847–1914) hatte mit seiner Frau Caroline, geb. Rooz (1853–1917), drei Söhne: Heinrich (1875–1954), Marcell (1876–1942) und Fritz (1885–1941). Nach dem Tod von James Klang ging seine Bibliothek an seinen Sohn Heinrich über.

Heinrich Klang studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften. Nach seiner Promotion im Jahr 1897 schlug Heinrich Klang die Richterlaufbahn ein und war u.a. am Landgericht Wien und Oberlandesgericht Wien tätig. 1903 erschien seine erste von insgesamt 775 wissenschaftlichen Publikationen. 1923 habilitierte sich Heinrich Klang an der Universität Wien, wo er anschließend als Privatdozent für bürgerliches Recht und ab 1925 als außerordentlicher Universitätsprofessor lehrte. Im selben Jahr trat er in die Redaktion der Juristischen Blätter ein, deren Mitherausgeber er im darauffolgenden Jahr wurde. Diese Funktion hatte er bis zum Jahr 1938 und ab 1946 bis zu seinem Tod im Jahr 1954 inne.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 verlor Klang aufgrund seiner jüdischen Herkunft sowohl seine Anstellung als Richter als auch seine Lehrbefugnis. Seine Emigrations- und Fluchtversuche scheiterten. Am 24. September 1942 wurde Heinrich Klang in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Heinrich Klang überlebte den Holocaust und organisierte nach der Befreiung den ersten Rücktransport österreichischer Häftlinge nach Wien. Im November 1945 wurde er Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs und gehörte bis 1946 dem Verfassungsgerichtshof an. Bis 1951 lehrte er als Honorarprofessor wieder an der Universität Wien. Heinrich Klang starb im Januar 1954 in Wien.

Grab der Familie Klang auf dem Zentralfriedhof Wien (Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wiener_Zentralfriedhof_-_Gruppe_49_-_Grab_der_Familie_Klang.jpg)

Wie kam die Lexikonreihe aus dem Eigentum Klangs in den Bestand der UB Dresden?

Heinrich Klang berichtet selbst über die zunehmende Verfolgung jüdischer Bürger:innen durch die Gestapo und den erzwungenen Verkauf seiner Privatbibliothek wie folgt:

„Um nicht durch eine plötzliche Ausweisung in eine unmögliche Lage zu geraten, begann ich meinen Besitz langsam zu liquidieren. Am schwersten fiel mir wohl die Trennung von meiner Bücherei, mit deren Sammlung schon mein Vater begonnen hatte […]. Eine nicht übermäßige Anzahl konnte ich zu halbwegs anständigen Preisen an Antiquare in Leipzig, Berlin und Frankfurt a.M. verkaufen, während ich mit den Wiener Antiquaren die schlechtesten Erfahrungen gemacht habe […].“ 

Zitat aus Heinrich Klang: Heinrich Klang. In: Nikolaus Grass (Hrsg.): Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Innsbruck 1952, S. 132.

Informationen zur Erwerbung durch die UB Dresden lassen sich aus den Zugangsbüchern der Zweigbibliothek Rechtswissenschaft nicht gewinnen. Allerdings gibt die in Bleistift geschriebene Nummernkombination „39/25“ auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels des ersten Bandes Aufschluss über eine Zwischenstation der Bücher.

Nummernnotiz „39/25/BZ 12 Bde.“ (SLUB Dresden / Deutsche Fotothek, df_prov_0017879)

Zahlenkombinationen wie diese verwendete die Wiener Antiquariats- und Exportbuchhandlung Alfred Wolf, eine Profiteurin von zahlreichen liquidierten und "arisierten" Wiener Antiquariaten. Sie kennzeichnete die Klang`sche Bibliothek mit der Zahlenkombination „39/25“, wobei die „39“ für das Jahr des Wareneingangs (1939) und die „25“ für den codierten Vorbesitzer Heinrich Klang stehen. Der Antiquariatsbuchhändler Alfred Wolf, seit 1933 Mitglied der NSDAP, eröffnete nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 ein Antiquariat in Wien, dessen Warenlager er mit Buchbeständen verfolgter jüdischer Antiquare sowie Privatpersonen aus Wien füllte.

Wegen dieser Nummer ist zu vermuten, dass Heinrich Klang die Lexikonreihe an das Antiquariat Alfred Wolf unter Wert verkaufen musste. Anhand der Inventarnummern der zwölf Bände kann geschlussfolgert werden, dass sie 1992 in den Bestand der UB Dresden eingegangen sind. Provenienzhinweise auf weitere mögliche Zwischenstationen gibt es in den Büchern nicht. Insofern blieb bisher ungeklärt, wo sie sich zwischen dem Verkauf in Wien und der Erwerbung durch die UB Dresden befunden haben.

Aufgrund der erwiesenen Verfolgung Heinrich Klangs durch die Nationalsozialisten und den verfolgungsbedingten Verkauf seiner Bibliothek sind die in der SLUB ermittelten Bände als NS-Raubgut zu bewerten. Im Fall von erwiesenem NS-Raubgut betrachtet sich die SLUB nicht als Eigentümerin der in ihrem Bestand befindlichen Objekte. Sie bemüht sich um eine Rückgabe an die Eigentümer:innen oder um andere gerechte und faire Lösungen im Sinne der „Washingtoner Erklärung“.

Die Recherchen in der SLUB erfolgten in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Kommission für Provenienzforschung, deren Mitarbeiter:innen federführend die Provenienz Heinrich Klang erforschen.

Nun konnten die 25 Werke in 42 Bänden aus dem Eigentum Heinrich Klangs, welche an der SLUB Dresden und sieben weiteren Bibliotheken in Deutschland und Österreich identifiziert wurden, gemeinsam an seine Erb:innen zurückgegeben werden.

Im Zuge der Provenienzforschung an der SLUB konnte ein weiterer Band der Provenienz Heinrich Klang zugeordnet werden: In „Gewichtige Stimmen über das Unrecht des § 175 unseres Reichsstrafgesetzbuchs (§ 250 des Vorentwurfs zu einem neuen Deutschen Reichsstrafgesetzbuch)“ befindet sich ein Stempel, dessen Beschriftung verdeutlicht, dass der Band erst nach 1945 im Besitz Heinrich Klangs war: „Angekauft aus der Bibliothek des Senatspräsidenten des OGH. Dr. Heinrich Klang durch das Bundesministerium für Justiz.“ Somit besteht in diesem Fall kein Verdacht auf NS-Raubgut. Das Buch wurde vermutlich aus der Bibliothek des Bundesministeriums für Justiz ausgesondert.

Stempel des Bundesministeriums für Justiz mit Vermerk des Ankaufs bei Heinrich Klang (SLUB Dresden / Deutsche Fotothek, df_prov_0019604)

Zum Weiterlesen:

Die restituierten Werke: