(Bisher versuchte) Rückgabe von Büchern aus dem Eigentum von Thea und Otto Brod

Im Rahmen der Provenienzforschung zu sekundärem NS-Raubgut in den Beständen der Sächsischen Landesbibliothek konnten zwei Bücher der Provenienz Otto und Thea Brod identifiziert werden. Gemeinsam mit einem weiteren Exemplar, welches in der Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg gefunden wurde, sind sie im Herbst 2022 postalisch an die Erb:innen versendet worden. Seit das Paket nicht auf Anhieb zugestellt werden konnte, gilt es als verschollen. Wir aktivieren ständig die Suchaufträge. Obwohl die Aussichten des Wiederauffindens gering sind, finden wir uns noch nicht ganz mit dieser entsetzlichen Tatsache ab und hoffen auf ein Wunder.

Widmung Max Brods an seinen Bruder Otto (SLUB / Deutsche Fotothek, slub_prov_0017320)

Widmung Max Brods an seinen Bruder Otto und seine Schwägerin Thea (SLUB / Deutsche Fotothek, slub_prov_0017319)

In zwei Büchern aus dem Bestand der Sächsischen Landesbibliothek konnte je eine Widmung identifiziert werden, beide mit der gleichen Hand von „Max“ an seinen „Bruder Otto“, in einer zudem an „Thea“. Der Autor beider Bücher ist Max Brod, sein Bruder hieß Otto, dessen Ehefrau Thea. Ein Vergleich mit handschriftlichen Briefen Max Brods bestätigte diese: Bei dem Widmungsschreiber handelte es sich um den Schriftsteller Max Brod, bei den Empfängern um seinen Bruder Otto Brod und dessen Ehefrau Thea Brod, geb. Lederer.

Otto Brod (Nationalarchiv Prag, Online unter https://www.holocaust.cz/databaze-obeti/obet/79511-ota-brod/)

Otto/ Ota Brod wurde am 6. Juli 1888 als Sohn von Adolf Brod (1854–1933) und Franziska Brod née Rosenfeld (1859–1931) in Prag geboren. Er hatte zwei Geschwister: Max Brod (1884–1968) und Sofie Friedmann née Brod (1892–1963). Nach einer kaufmännischen Ausbildung war Otto Brod als Kaufmann und Schriftsteller tätig. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Hauptmann der Reserve teil. Seine Romane „Die Berauschten“ (1934) und „Abenteuer in Japan“ (1938), letzterer gemeinsam mit seinem Bruder Max Brod geschrieben, erschienen im Verlag Allert de Lange. Weitere Romanmanuskripte Otto Brods finden sich im Nachlass Max Brods. Otto Brod begleitete seinen Bruder Max und den gemeinsamen Freund Franz Kafka bei Ausflügen oder Urlaubsreisen. Am 1. November 1923 heiratete er Thea/ Terezie Lederer (1895–1944). Am 20. April 1926 kam ihre einzige Tochter Marianne/Mariana auf die Welt.

Thea Brod (Nationalarchiv Prag, Online unter https://www.holocaust.cz/databaze-obeti/obet/79519-terezie-brodova/)

Marianne Brod (Nationalarchiv Prag, Online unter https://www.holocaust.cz/databaze-obeti/obet/79501-mariana-brodova/)

Die Mitglieder der Familie Brod wurden als Jüdinnen und Juden verfolgt. Die durch Max Brod organisierte Möglichkeit einer Emigration nach Palästina lehnten Otto und Thea Brod ab, da sie Thea Brods Eltern nicht schutzlos in Prag zurücklassen wollten. Am 10. Dezember 1941 wurden Otto, Thea und Marianne Brod mit dem Transport I von Prag in das Konzentrationslager (KZ) Theresienstadt deportiert.  Dort schrieb Otto Brod zwei Schauspiele, von denen „Der Erfolg des Kolumbus“ (in Zusammenarbeit mit Karl Fischer) in Theresienstadt auch aufgeführt wurde. Am 28. Oktober 1944 wurden Otto, Thea und Marianne Brod mit dem letzten Transport aus Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die zwei Geschwister von Otto Brod überlebten den Holocaust. Von 16 direkten Verwandten Thea Brods ist das Überleben nur einer Person gesichert.

Porträt Otto Brods von Max Plaček Max, 1942 (Yad Vashem Art Department, Bleistift auf Papier, Schenkung von Hermann Weiss, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Stephen Barber Canada, acc. no. 164-114.)

Das Zugangsbuch der Sächsischen Landesbibliothek (SLB) aus dem Jahr 1954 weist keine Angaben zum Lieferanten der Bücher auf. Der ebenso in den Büchern enthaltene Stempel des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes – Landesvorstand Sachsen lässt vermuten, dass es sich dabei um den Lieferanten an die SLB handelt. Für das Zugangsjahr 1954 findet sich ein größerer Zugang mit dem FDGB-Stempel. Auf diese Exemplare verteilen sich ca. 80 Parallelprovenienzen, die teilweise tschechischen Holocaust-Opfern zuzuordnen sind. Der bisherige Kenntnisstand führt zu der Vermutung, dass die Exemplare nach dem unrechtmäßigen Entzug durch die nationalsozialistischen Besatzer in einem Sammellager o.ä. in Prag zentralisiert und nach 1945 weiterverteilt wurden.

In der Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg wurde ebenfalls ein Buch mit einer Widmung Max Brods an seinen Bruder Otto identifiziert. Das Heidelberger Exemplar stammt aus dem Nachlass des Rabbiners Emil Davidovič, der Bücher aus den Raubgut-Beständen des Jüdischen Museums in Prag an sich genommen und in den 1960er Jahren in die BRD gebracht hatte. 

Aufgrund des nachgewiesenen Vorbesitzes Otto und Thea Brods und des Provenienzverlaufs, der einen Entzug durch das nationalsozialistische Regime nahelegt, handelt es sich bei den Büchern um NS-Raubgut.

Die Recherchen erfolgten in enger Zusammenarbeit mit Philipp Zschommler, Provenienzforscher an der Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Dank der Unterstützung von Anna Rubin, Direktorin des Holocaust Claims Processing Office beim New York State Department of Financial Services, konnte die Familie der Rechtsnachfahrin ermittelt und ein Kontakt hergestellt werden.

Zum Weiterlesen: 

Die restituierten Bücher: